Genetik und Epigenetik
Die Rolle der Genetik bei der Entgiftung
Die Fähigkeit des Körpers, toxische Substanzen zu entgiften, nimmt seit der Industrialisierung einen immer größer werdenden Stellenwert in unserer Gesundheit ein.
„Giftige Metalle stellen nachweislich eine große Bedrohung für die menschliche Gesundheit dar, vor allem aufgrund ihrer Fähigkeit, Membran- und DNA-Schäden zu verursachen sowie die Proteinfunktion und Enzymaktivität zu stören.“ – doi.org/10.3390/molecules26196060
„Kunststoffe tragen erheblich zu Krankheiten und den damit verbundenen sozialen Kosten in den Vereinigten Staaten bei und machen 1,22 % des Bruttoinlandsprodukts aus. Insgesamt schätzen wir die durch Plastik verursachte Krankheitslast im Jahr 2018 auf 249 Milliarden US-Dollar (Sensitivitätsanalyse: 226 bis 289 Milliarden US-Dollar)“ – doi.org/10.1210/jendso/bvae019
Auch Chemikalien, Viren, Bakterien und Pilze können den Körper belasten. In allen Fällen ist entscheidend für unsere Gesundheit, wie der Körper mit diesen Einflüssen umgehen kann.
Im Folgenden gehen wir auf einige der Parameter ein, die wir für unsere genetischen Untersuchungen bei Patienten nutzen.
Die Phasen der Entgiftung
Aufgenommene Schadstoffe werden im Körper zunächst in der Phase 1 der Entgiftung umgewandelt – sie werden somit zwar aggressiver (radikalisch), können aber besser entgiftet werden.
In Phase 2 werden die radikalischen Schadstoffe aus dem Körper geleitet und somit entgiftet.
Beschädigung der Phase-1-Entgiftung
Sind Mechanismen der Phase-1-Entgiftung beschädigt, häufen sich die aufgenommen Schadstoffe an und werden nur zum Teil umgewandelt und entgiftet.
Beschädigung der Phase-2-Entgiftung
Sind Mechanismen der Phase-2-Entgiftung beschädigt, häufen sich die radikalischen Schadstoffe im Körper an und können nur zum Teil entgiftet werden – Sie sind hochreaktiv und können Schäden im Körper anrichten.
Was können wir messen?
Phase 1 der Entgiftung:
Cytochrom P450-Enzyme
Die Phase 1 der Entgiftung im menschlichen Körper spielt eine entscheidende Rolle bei der Verarbeitung von Toxinen und ist der erste Schritt im mehrphasigen Prozess der Entgiftung.
Im Zentrum dieser Phase steht das Cytochrom P450, eine Gruppe von Enzymen, die für die Oxidation von organischen Substanzen zuständig ist.
Diese Enzyme tragen dazu bei, Toxine in wasserlösliche Substanzen umzuwandeln, die der Körper dann leichter ausscheiden kann. Allerdings sind diese Zwischenprodukte oft aggressiver als ihre Ausgangsformen, sodass es umso wichtiger ist, dass die Phase 2 der Entgiftung auch funktioniert.
Siehe auch: Information IMD Berlin
CYP1A1
CYP1A1 ist zentral für die Neutralisierung von Benz(a)pyren und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen.
Diese Chemikalien kommen häufig beim Rauchen, beim Braten roten Fleisches, in chemischen Produktionsverfahren sowie bei der Verbrennung von Kraftstoffen vor und finden sich auch in organischen Lösungsmitteln, synthetischen Farbstoffen, Pestiziden und Lacken.
CYP1A2
Neben einer unterstützenden Funktion beim Abbau von toxischen Stoffen aus Tabakrauch, Pestiziden und giftigen Substanzen beim scharfen Anbraten von rotem Fleisch, spielt das CYP1A2 eine Rolle beim Abbau von Medikamenten.
Es verstoffwechselt etwa 5% der Medikamente, darunter Phenacetin, Paracetamol, Coffein, Theophyllin und Clozapin.
CYP2A6
Verstoffwechselt vor allem die toxischen Substanzen in gepökelten Räucherwaren und Tabakrauch, aber auch von Nicotin, Herbiziden, Nitrophenol, Cumarin und krebserregenden Lösungsmitteln.
CYP2C9
Dieses Enzym spielt jedoch auch eine Schlüsselrolle beim Abbau und der Metabolisierung einer breiten Palette weiterer wichtiger Medikamente, darunter Phenytoin, ein Antiepileptikum, und Warfarin, ein Antikoagulans, sowie der krebserregenden Substanz Benz(a)pyren.
CYP2D6
Rund 25% aller marktgängigen Arzneimittel, insbesondere Antidepressiva und Herzmedikamente, werden hauptsächlich durch CYP2D6 metabolisiert.
Dies macht das Enzym zu einem kritischen Faktor bei der Bestimmung der optimalen Dosierung für Patienten, um das Risiko von Nebenwirkungen zu minimieren.
CYP2D6
Ein weiterer wichtiger Bereich, in dem CYP2C19 eine entscheidende Funktion übernimmt, ist die Umwandlung von Clopidogrel, einem häufig verwendeten Blutplättchenhemmer, in seinen aktiven Metaboliten.
Phase 2 der Entgiftung: Entgiftungsmoleküle
Siehe auch: Information IMD Berlin
UDP-Glucuronosyltransferase 1A1 (UGT1A1)
Paraoxonase 1 (PON1)
Mikrosomale Epoxidhydrolase (mEH)
N-Acetyltransferase 2 (NAT 2)
Superoxiddismutase 2 (SOD2)
Superoxid-Dismutase 2 (SOD2) dient als Schutz für die Mitochondrien gegen oxidativen Stress, der durch freie Sauerstoffradikale verursacht wird, und trägt maßgeblich zur Entgiftung von Amalgam bei.
Glutathion-S-Transferasen (GST)
Was ist die Epigenetik?
Die Epigenetik hat in den letzten Jahren immens an medizinischer Bedeutung hinzugewonnen – wo ursprünglich geglaubt wurde, dass die Genetik „fest“ über alle Funktionen und den Aufbau unseres Körpers bestimmt, tritt nun ein alternatives Modell in den Vordergrund:
Die Genetik passt sich ständig an unsere Umwelteinflüsse an.
Epigenetik wurde demnach definiert als „die strukturelle Anpassung chromosomaler Regionen, um veränderte Aktivitätszustände zu registrieren, zu signalisieren oder aufrechtzuerhalten“ – Bird, A. Wahrnehmungen der Epigenetik.
„Wer sich längere Zeit ungesund ernährt, verändert womöglich dauerhaft wichtige Schaltstellen in seinem Erbgut. Eltern steigern dadurch nicht nur das eigene Risiko auf Stoffwechselerkrankungen, sondern auch das ihrer künftigen Nachkommen.“ – Prof. Dr. Johannes Beckers und Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Hrabě de Angelis, Bundesministerium für Bildung und Forschung.
Krankheiten wie Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und neurologische Störungen zeigen eine Beteiligung von epigenetischen Veränderungen.
Darüber hinaus können Umweltfaktoren wie Ernährung, Stress, Toxine und Lebensstil den epigenetischen Status beeinflussen und somit die Anfälligkeit für Krankheiten erhöhen oder verringern.
DNA-Methylierung und Umwelteinflüsse
Mütterlicher Stress
Zufuhr bestimmter chemischer Substanzen
Rauchen
Störungen im Stoffwechsel
Unzureichende Ernährung in der Schwangerschaft
Die Nährstoffzufuhr in der Schwangerschaft beeinflusst langfristig die Gesundheit der Nachkommen durch epigenetische Mechanismen.
Studien an Honigbienen und Säugetieren, wie Agouti-Mäusen, zeigen, dass Ernährung die DNA-Methylierung und somit die Entwicklung und Genexpression beeinflusst, was organspezifische und geschlechtsspezifische Auswirkungen haben kann.
Besonders eine methylreiche Ernährung, wie durch Folsäure, kann den Phänotyp der Nachkommen verändern und birgt bei Überdosierung Risiken.
Studien: DOI 10.1371/journal.pbio.1000506 , DOI 10.1172/JCI34378 , DOI 10.1128/MCB.23.15.5293-5300.2003
Langfristige Auswirkungen epigenetischer Veränderungen
Beeinflusst der Vater auch die Epigenetik des Kindes?
Es wird zunehmend erkannt, dass das fetale Epigenom nicht nur durch mütterliche, sondern auch durch väterliche Einflüsse geprägt wird.
Ein Beispiel dafür ist, dass ein Folsäuremangel beim Vater zum Zeitpunkt der Konzeption durch epigenetische Mechanismen erheblich die fetale Gesundheit beeinträchtigen und in Tierstudien zu einem erhöhten Risiko von Fehlbildungen führen kann.
Forschungen zeigen, dass epigenetische Veränderungen durch den Vater in Spermien und der Plazenta nachweisbar sind und Gene betreffen können, die bei der Entwicklung und bei chronischen Krankheiten wie Krebs, Diabetes, Autismus und Schizophrenie eine Rolle spielen.
Chronischer Stress bei männlichen Mäusen verursacht epigenetische Veränderungen in deren Nachkommen, beeinflusst die Stressregulation und führt zu Verhaltensauffälligkeiten, erkennbar an Modifikationen der microRNAs in Spermien und Gehirnzellen.
Studien: DOI 10.1038/ncomms3889 , DOI 10.1523/JNEUROSCI.0914-13.2013