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Borreliose

Die unterschätzte Epidemie

Es gibt vier Stadien:

 

1. Die frühe lokale Borreliose mit der Wanderröte als Einzelsymptom

Im Falle einer Infektion entsteht nur in ca. 80 % der Fälle eine Wanderröte (Erythema migrans). Also können auch ca. 20 % der Infektionen ohne eine Wanderröte erfolgen. Das Fehlen einer Wanderröte schließt also eine Infektion nicht aus.

In jedem Falle stellt eine Wanderröte ein ernst zu nehmendes Warnsignal dar. Nach den Empfehlungen der Deutschen Borreliose-Gesellschaft, deren Mitglied ich bin, wird in einem solchen Fall bereits die Therapie mit dem Antibiotikum Doxycyclin 100 bis 200 mg morgens und abends über vier Wochen empfohlen.

 

2. Die frühe disseminierte (im gesamten Körper verteilte) Borreliose

Bei 10 bis 30 % der Patienten (die Angaben in der Literatur sind sehr unterschiedlich) mit einer frühen disseminierten Borreliose wurde keine Wanderröte bemerkt.

Die Symptome beginnen meist ca. ein bis vier Monate nach Zeckenstich.

Die Symptome können äußerst vielseitig sein:
Grippegefühl, Müdigkeit, Myalgie, Arthralgie, Kopfschmerz, leichtes Fieber, Lymphknotenschwellung, Nackensteifigkeit, Rückenschmerzen, Appetitlosigkeit.

Hautzeichen:
Mehrere Wanderröten gleichzeitig;
Borrelien-Lymphozytom (Lymphadenosis benigna cutis): ein bis zwei Monate nach Infektion vorkommend. Es handelt sich dabei um ein lokalisiertes, bläulich-rötliches Knötchen (oft an Ohrläppchen, Brustwarze, Hodensack oder Nase) mit weicher, elastischer Konsistenz; oft begleitend findet sich zusätzlich eine regionale Lymphknotenschwellung.

Nervenbefall:
Hirnentzündung (Meningitis), Hirnnervenausfälle (oft Fazialisparese = Gesichtsnervausfälle), Meningoradikuloneuritis (Bannwarth-Syndrom), akute Enzephalomyelitis, Cerebellitis, transverse Myelitis.

Herzbefall:
Herzbeutel- und Herzmuskelentzündung, auffällig meist als AV-Block I. bis III. Grades; sehr selten chronisch entzündliche (dilatative) Herzmuskelentzündung.

Gelenkbefall:
Akute wandernde Gelenkschmerzen bzw. flüchtige Gelenkschwellungen („episodische Arthritis“), oftmals ist nur ein Gelenk befallen oder asymmetrische Entzündung weniger Gelenke.

Augenbefall:
Sollten Sie einen Sehkraftverlust haben, kann dies auf die Borreliose zurückzuführen sein. Ihr Augenarzt sollte dann prüfen: Iritis, Uveitis, Chorioiditis, Episkleritis/Skleritis, orbitale Myositis, Papillitis, Retrobulbärneuritis.

 

3. Die chronische Borreliose

Die Symptome beginnen meistens vier bis sechs Monate bis teilweise mehrere Jahre nach einer Infektion. Die Zuordnung der sehr vielfältigen Symptome zu einer vor langer Zeit stattgefundenen Borrelien-Infektion ist oft schwierig.

Symptome:
Die „Lyme-Arthritis“ entwickelt sich meistens mehr als sechs Monate nach der Primärinfektion (Erythema migrans?, Zeckenstich?). Sie zeigt ein chronisch-wiederholtes Auftreten und betrifft in den meisten Fällen große Gelenke (oft Kniegelenk) mit Schwellung und Schmerzen.

Klinisches Bild der chronischen Borreliose/Neuroborreliose sind:

  • Enzephalomyelitis = Hirn- und Rückenmarksentzündung (neurologische Ausfälle, schleichende Verschlechterung des Zustandes)
  • Enzephalopathie = Hirnerkrankung (Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Tinnitus)
  • Schlafstörungen, Depression, Reizbarkeit, chronische Müdigkeit
  • Normaldruck-Hydrozephalus (Wasserkopf)
  • Entzündungen der Hirnarterien, Hirninfarkt – chronische Nervenwurzelentzündungen

Die Acrodermatitis chronica atrophicans (ACA) ist ein chronisch entzündlicher, zum Teil mit Wassereinlagerungen geschwollener Prozess, oft an sonnenexponierten Hautregionen (meistens die Hände). Dem chronisch entzündlichen Stadium folgt das chronisch-atrophische Stadium (pergamentartige Haut mit typischem histologischem Befund).
Begleitsymptome sind Überempfindlichkeit, Muskelschwäche, Muskelkrämpfe, einzeln auftretende oder multiple fibröse Knötchen, regionale oder generalisierte Lymphknotenschwellungen.

Eine chronische Augen-Borreliose manifestiert sich unter Umständen mit Hornhautstroma-Trübungen, marginalen Keratitiden, Episkleritis, okulärer Myositis, Optikusatrophie.

 

4. Post-Lyme-Syndrom (PLS) oder chronische Borreliose

Hierbei handelt es sich um ein Syndrom, das nach zum Teil mehrfach antibiotisch behandelter Borreliose weiterhin anhält. Biochemisch werden eine dauerhafte immunologische oder eher sogar eine autoimmune (!) Aktivierung und eine Borreliose-induzierte Gefäßentzündung diskutiert.
PLS oder chronische Borreliose? Antibiotische Behandlung ja oder nein? Diese Fragen sind in der Fachwelt äußerst umstritten. Mit den bisher vorhandenen labordiagnostischen Möglichkeiten konnte dieser Streitpunkt bis jetzt nicht endgültig gelöst werden.
Die häufigsten Symptome sind: Müdigkeit, Erschöpfung, kognitive Defizite und Schlafstörungen, Nervenschmerzen, Schmerzsyndrome.

Diagnostisch hilfreich sind: Anamnese (bekannte Borreliose?) und serologische Untersuchungen (Nachweis von Antikörpern gegen Borrelia burgdorferi im Screeningtest, im Immunoblot- oder Borrelien-recombead-Test und/oder im Lymphozytentransformationstest = LTT). In jedem Fall sollten auch die CD56/CD57-Zellen auf einen infektionstypischen Verbrauch hin geprüft werden.

Zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung (vor allem zur Fibromyalgie oder unspezifischen Gelenks- und Systemerkrankungen) wird auch die HLA-DR-Subtypisierung berücksichtigt.
Ein zusätzlich möglicher Test zur Differenzierung ist der Lymphozytentransformationstest (LTT-Borrelien). Dieser fällt negativ aus, wenn keine aktive Borrelieninfektion vorliegt. Bei einem positiven LTT-Borrelien-Test besteht der Verdacht, dass eine persistierende Borrelieninfektion besteht.

Was kann die HLA-Bestimmung bei der Diagnostik und Beurteilung des Verlaufs einer Borreliose leisten?

Bei etwa 10 % der Patienten mit Lyme-Borreliose persistieren trotz adäquater antibiotischer Therapie die Gelenkbeschwerden über Monate und Jahre. Bei einer solchen Symptompersistenz stellt sich immer die Frage nach der Ursache. War die Therapie nicht ausreichend oder die Diagnose falsch gestellt? Unterstützt wird diese Problematik dadurch, dass es aufgrund der komplexen Immunreaktion gegenüber Borrelien einen sicheren labordiagnostischen Nachweis bzw. Ausschluss nicht gibt. Die Lyme-Borreliose wird zu Recht als der „Große Imitator“ bezeichnet, weil die Symptome sehr unspezifisch sind, was die klinische Diagnosestellung erheblich erschwert.

Es besteht eine HLA-Assoziation bei der antibiotikaresistenten Verlaufsform der Lyme-Borreliose

Therapiesensitive und -resistente Lyme-Arthritiden unterscheiden sich in der zellulären und humoralen Antwort gegen das „Outer Surface Protein“ (OspA) der Borrelien. Dabei spielen verschiedene Varianten der Immunantwort, u. a. Autoimmunreaktionen, die mit bestimmten HLA-Typen assoziiert sind, eine entscheidende Rolle. Es ist seit Längerem bekannt, dass Menschen mit HLA-DR2 oder -DR4 eine genetische Prädisposition für die Entwicklung einer antibiotikaresistenten Lyme-Borreliose haben (relatives Risiko 22-fach erhöht!).

Neueste Untersuchen zeigen Assoziationen zu bestimmten HLA-DR-Subtypen

In einer aktuellen Studie, bei der die Bestimmung der HLA-Merkmale mit molekularbiologischen Methoden erfolgte, fanden Steere und Mitarbeiter signifikante Assoziationen zwischen bestimmten HLA-DR-Subtypen (DR*01:01, *15:01, *04:01 und *04:02) sowie der zellulären und humoralen Immunantwort gegen das OspA-Antigen der Borrelien. Anscheinend lösen OspA-Antigene, wenn sie im Rahmen der Immunantwort auf den genannten HLA-Molekülen präsentiert werden, eine Kreuzreaktion mit körpereigenen Strukturen aus. Dieses sogenannte molekulare Mimicry unterhält über autoimmunologische Vorgänge den Entzündungsprozess, auch wenn der Erreger selbst eliminiert ist. Ursprünglich wurde das zum OspA teilweise sequenzhomologe LFA1 als Autoantigen postuliert, seine Rolle in der Pathogenese der Autoimmunreaktion wird aber derzeit wieder kontrovers diskutiert. Es wird angenommen, dass verschiedene mit den genannten HLA-Molekülen assoziierte Mechanismen eine solche Autoimmunreaktion induzieren und unterhalten. Die oben genannten Borreliose-assoziierten HLA-Moleküle haben eine besonders hohe Affinität zu OspA-Antigenfragmenten und präsentieren diese noch lange nach der Elimination der Erreger. Damit verbunden sind hohe Spiegel proinflammatorischer Zytokine (TNFa, INFg etc.) in den betroffenen Geweben. Die starke, gegen Borrelien gerichtete T-Zellantwort ist bei entsprechend genetisch disponierten Patienten mit einer inadäquat hohen Induktion von inflammatorischen Zytokinen verbunden und kann damit eine „autoimmune“ Reaktivität gegen körpereigene Strukturen auslösen. Es zeigte sich, dass Träger von zwei OspA-bindenden HLA-DR-Allelen ein 11-fach erhöhtes Risiko haben, eine Antibiotika-resistente Lyme-Borreliose zu entwickeln. Dieser Gen-Dosis-Effekt unterstreicht, dass bei der Immunpathogenese der therapieresistenten Lyme-Arthritis ein enger Zusammenhang mit bestimmten HLA-Merkmalen besteht.

Die Assoziation betrifft nicht nur Shared-Epitope-tragende HLA-Allele

Die Bestimmung der DR-Subtypen bei Patienten mit antibiotikaresistenter Lyme-Borreliose ergab zudem, dass sich die Assoziation nicht, wie bisher angenommen, auf die sogenannten Shared-Epitope-tragenden HLA-DR1/4-Allele beschränkt. Die HLA-Allele DRB1*04:02 und *15:01 tragen kein Shared-Epitope, binden aber OspA-Antigene. Patienten, die positiv für diese Allele sind, haben ebenfalls ein erhöhtes Risiko, eine therapieresistente Verlaufsform der Borreliose zu entwickeln.

Bestimmte HLA-Allele könnten die Ursache einer fehlenden Antikörperbildung sein

Neben der Assoziation zur antibiotikaresistenten Lyme-Borreliose steht auch die Frage der HLA-DR-Assoziation mit Seronegativität bei nachweislicher Borrelien-Infektion (Borrelien-PCR und -Kultur positiv) im Fokus neuer Untersuchungen. In seltenen Fällen entwickeln Patienten nach stattgefundener Borreliose-Infektion keine spezifischen Antikörper gegen Borrelia burgdorferi. Wang & Hilton konnten zeigen, dass fast 40 % dieser seronegativen Borreliose-Patienten positiv für HLA-DR1 waren.

Die HLA-DR-Subtypisierung unterstützt die Diagnostik bei unklaren Fällen

Die Diagnose einer Borreliose erfolgt vorrangig auf der Basis der Anamnese und der klinischen Symptomatik, insbesondere deren zeitlicher Entwicklung. Die Labordiagnostik dient dabei in erster Linie der Bestätigung der Verdachtsdiagnose. Allerdings ist das klinische Bild, besonders in späteren Krankheitsphasen, häufig vieldeutig, was die Diagnosestellung erheblich erschwert. Die HLA-DR-Subtypisierung kann deshalb bei Verdacht auf eine chronisch persistierende Verlaufsform der Borreliose sehr hilfreich bei der Festlegung der Therapiekonzeption sein.

Zusammenfassung der bisherigen Studienergebnisse

 

HLA-Assoziation mit antibiotikaresistenter Lyme-Borreliose: 
DR1 (DRB1*01:01)
DR2 (DRB1*15:01)
DR4 (DRB1*04:01, 04:02)

HLA-Assoziation bei Patienten mit verminderter Bildung borrelienspezifischer Antikörper trotz nachweislicher Borrelien-Infektion:
DR1-Allele (DRB1*01:02, *01:01, *01:04, *01:05)

Zusammenfassend

 

Borreliose und ihre häufigen Co-Infektionen werden von der offiziellen Medizin leider oft falsch eingeschätzt und unterschätzt. Als sehr junger Arzt musste ich selbst die Erfahrung machen, was es bedeutet, eine Krankheit zu haben, die die Schulmedizin nicht anerkennen will.

Laut Schulmedizin reicht bei der Behandlung der Borreliose eine Therapie mit dem Antibiotikum Doxycyclin 100 mg morgens und abends über maximal vier Wochen gegeben vollkommen aus. Sollten dann weiterhin Beschwerden des Patienten vorliegen, wird er nach offizieller Schulmedizin für den Rest seines Lebens mit Schmerzmitteln und gegebenenfalls auch Antidepressiva behandelt.

Diese Auffassung der Borreliose-Behandlung halte ich nach über 30 Jahren ärztlicher Erfahrung, insbesondere auch auf dem Gebiet der Borreliose, für falsch.

Zunächst handelt es sich bei der Borreliose um eine unerkannte Epidemie. Mit 100.000 Neuinfektionen jährlich in Deutschland zählt die Borreliose zu den häufigen Infektionskrankheiten.

Entscheidend ist die Frage: Warum lässt das Immunsystem eine Borreliose zu? Diese Frage nach der Ursache/den Ursachen sollte geklärt werden.

Abzuklärende Ursachen können sein:

  1. Nährstoffmängel (Mängel an Mineralien, Spurenelementen, Vitaminen, Enzymen, Proteinen)
  2. Längere Zeit vorbestehende andere Entzündungen
  3. Einschränkungen der Reaktions- und Leistungsfähigkeit des Immunsystems
  4. Immunsuppressive Umweltgifte
  5. Eingeschränkte Entgiftungsfähigkeit
  6. Chronischer Stress
  7. Einnahme immunsuppressiver Medikamente

Wir sind Mitglied der Deutschen Borreliose-Gesellschaft, www.borreliose-gesellschaft.de

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